Meine Abschlussworte bei der Antirassismuskonferenz
Ich will abschließend ein paar Worte sagen.
Ihr wart Teil der ersten Antirassismuskonferenz hier im Landtag von Schleswig-Holstein. Dieser Prozess hat vor 2,5 Jahren angefangen. Damals war ich im Landesvorstand der Grünen und habe mit vielen anderen dafür gekämpft, dass dieses Thema in unserem Wahlprogramm benannt wird. Wir haben es geschafft! Vor 1,5 Jahren habe ich den Koalitionsvertrag mit verhandelt und habe dafür gekämpft, dass ein Aktionsplan gegen Rassismus drin steht. Und es war mir extrem wichtig, dass das ein inhaltlicher Bestandteil unserer Koalition mit CDU und FDP ist. Weil mein Anspruch ist, dass dieses Thema in der Politik und in der Gesellschaft diskutiert werden muss!
Vor 1,5 Jahren stand ich genau hier und wurde zur ersten Schwarzen Abgeordneten des Landes Schleswig-Holstein gewählt.Und damals wie auch heute saß meine Mutter mit im Raum. Ich hab sie kurz angesehen, nachdem ich vereidigt wurde. Lange konnte ich nicht hinblicken, weil mir sonst die Tränen gekommen wären.
Mir wären die Tränen gekommen, weil diese Geschichte für mich und meine Familie so nicht vorgesehen war.
Vor 20 Jahren lebten wir noch in Neumünster einer Flüchtlingsunterkunft.
Und 12 Jahre lang wussten wir nicht, ob wir in Deutschland bleiben dürfen. Jeden tag hätte die Abschiebung kommen können. Und dieser Moment als ich vereidigt wurde, das habe ich mir geschworen, wird kein Tag sein, der nur für meine Familie und mich besonders sein wird. Sondern ich werde dieses Privileg, Politik machen zu dürfen, Abgeordnete sein zu können für diejenigen nutzen, die dieselben Erfahrungen gemacht haben wie meine Familie und ich zu vertreten.
Und heute sitze ich hier mit euch und wir besetzen diesen Raum im wahrsten Sinne des Wortes. Dieser Ort soll kein Ort der Einmaligkeit meiner Geschichte sein. Er soll ein Ort der Vervielfältigung meiner Geschichte sein. Wenn ich Schüler*innen sehe, die da oben auf der Tribüne dieser Debatte folgen, die aussehen wie ich, die auch einen MigrationsBackground haben, dann hoffe ich, dass sie wissen, dass sie auch für sich beanspruchen dürfen, mit am Tisch sitzen zu können und das egal wo.
Diese Veranstaltung hat deutlich gemacht: Rassismus ist kein gefühltes Problem. Es ist die Realität so vieler Menschen. Von Freund*innen, von Familienmitgliedern, von Bekannten, von Kolleg*innen von Partner*innen.
So viele von uns tragen dieses Päckchen jeden Tag mit sich. Wir wählen die unterschiedlichsten Strategien, um damit umzugehen. Wir wählen die unterschiedlichsten Ausdrucksformen: Musik, Kunst, Onlineplattformen, Politik.
Wenn Menschen sagen, da fühlte sich jemand diskriminiert oder fühlte sich rassistisch behandelt, sind wir automatisch in der Situation zu glauben, die Person reagiert emotional und sie, die Person ist das Problem.
Wenn wir anfangen zu benennen, dass es schlichtweg rassistisch IST, dann verändern wir die Perspektive der Debatte. Weil wir uns dann Gedanken machen müssen über die Ursache und über eine Struktur, die vorliegen muss.
Es ist kein Zufall, dass Schwarze Menschen zu Hauf dieselben Erfahrungen machen.
Es ist kein Zufall, dass Muslim*innen in Deutschland von den gleichen Beleidigungen berichten.
Es ist kein Zufall, dass Roma und Sintis von denselben Anfeindungen sprechen.
Lasst euch eure Rassismuserfahrungen nicht absprechen und das von niemanden.
Wenn wir aufhören von gefühlten Realitäten und Einzelfällen sprechen, dann schaffen wir es uns ans Eingemachte zu machen. Denn das Problem heißt Rassismus!
Das Schlimme an Rassismus ist, dass viele, bewusst oder unterbewusst damit zu kämpfen haben, sich zu fragen: Bin ich gut genug?
Michelle Obama schreibt in ihrer Autobiografie „Becoming“, dass sie sich diese Frage immer wieder gestellt hat. Als Schülerin im Ghetto stellte sie sich die Frage, nach ihrem Harvard Abschluss als Anwältin in einer Kanzlei stellte sie sich die Frage und auch als First Lady der Vereinigten Staaten stellte sie sich die Frage. Und die Antwort, die sie immer wieder gibt, ist: Ja, ist sie! Und das gilt genau so für euch alle, die ihr euch dieselbe Frage stellt. Eure Hautfarbe, eure Religion, eure Herkunft – egal, wie oft man versucht es euch subtil oder direkt zu vermitteln, sind kein Grund, weshalb ihr keinen Anspruch stellen dürft. Ihr dürft alles beanspruchen, sowie jede un jeder andere auch. Denn wir gestalten diese Gesellschaft auch heute schon mit!
Das ist kein Phänomen, das nur Menschen mit Rassismuserfahrungen kennen. Sondern ein Phänomen, das all die Gruppen kennen, die eine Minderheit bilden oder die auf Grund ihres Geschlechts, ihrer Sexualität oder ihrer Behinderung ausgegrenzt werden.
Vor einem drei viertel Jahr haben mein Team Katrine, Anna und ich uns hingesetzt und die Frage gestellt, wie wollen wir dieses Thema umsetzen. Wir haben immer vor Augen gehabt einen Prozess starten, indem wir Menschen beteiligen, die Rassismuserfahrungen machen. Es war mir wichtig das hier im Plenum zu machen, weil ihr die Gesellschaft der Vielen auf den Plätzen der Parlamentarier*innen und Regierung abbildet. Jedes Mal, wenn ich wieder hier sitzen werde, werde ich an heute zurück denken. Ihr gebt mir die Kraft für dieses Thema zu kämpfen.
Eins unserer gesellschaftlichen Probleme ist nicht, dass wir unterschiedlich sind, sondern dass wir die Stärke und Kraft, die darin besteht, nicht anerkennen. Die Gesellschaft der Vielen ist heute schon Realität. Aber an vielen Orten ist sie eben noch nicht sichtbar- zum Beispiel hier im Parlament. Aber genau das ist das Ziel – eine Gesellschaft der Vielen.
Wir leben alle in rassistischen Strukturen. Und ich hoffe, dass dieser Tag für einige deutlich gemacht hat, wo man selbst noch blinde Flecken hat und wo man auch einfach mal sagen muss: „Das war ne krass rassistische Aussage von dir!“ Ziel für mich ist es sich im Klaren darüber zu werden, dass wir nicht frei davon sind, so antirassistisch man sich selbst gerne sieht. Wir wissen so vieles nicht über rassistische Strukturen, weil wir es nicht lernen. Aber Ziel ist es, dass wir es in den Strukturen lernen. In Schulen, an Bildungsorten, auf der Arbeit, im öffentlichen Raum, im Privaten, überall. Politik ist nämlich genau dafür zuständig diese Prozesse starten zu lassen.
Ich danke euch dafür, dass ihr teilgenommen habt und diese Konferenz dadurch möglich gemacht habt. Diese Veranstaltung ist der Beginn eines Prozesses und jetzt nehmen wir Grüne diese Eindrücke mit in die parlamentarische Auseinandersetzung. Denn jetzt geht es darum den Aktionsplan gegen Rassismus ins Leben zu rufen. Das werden wir tun.
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