wie oft habe ich schon gehört: „Mir ist es egal, wie du aussiehst, wen du liebst und wo du herkommst, an welchen Gott du glaubst!“. Mit dieser Aussage denken Menschen, sie seien besonders weltoffen oder besonders fortschrittlich.
Es ist im Kern eine ignorante Aussage, weil sie verkennt, dass es in unserer Gesellschaft Menschen gibt, die es sehr relevant finden, wie man aussieht, wen man liebt, wo man herkommt oder an welchen Gott man glaubt.
Es ist insofern eine relevante Frage, weil Menschen bereit sind, Schwarze Menschen zu beleidigen, Menschen mit Migrationsgeschichte zu degradieren, homosexuelle Menschen, Inter- und Transpersonen Gewalt zuzufügen, Menschen muslimischen Glaubens die Daseinsberechtigung abzusprechen, jüdische Menschen zu verletzen.
Genau das war in den letzten Tagen Thema. Eine rechte Terrorzelle, die Anschläge auf Moscheen, Asylsuchende und auch auf Politiker*innen plante. Das ist die Realität, in der wir uns bewegen.
Diejenigen, die Aussagen treffen wie „es ist mir egal, wo du herkommst“, sind dazu aufgefordert, mehr zu tun, als diese halbherzigen Aussagen zu treffen. Es ist notwendig für diese Menschen einzustehen.
Ja, auch in Schleswig-Holstein, wo wir uns so gerne als weltoffen bezeichnen, ist es notwendig. Das zeigt der Tätigkeitsbericht der Antidiskriminierungsstelle.
Folgende Situation: Samstagabend, irgendwo in Schleswig-Holstein. Yasmine und Lena möchten auf den Jahrmarkt gehen. Denn heute ist Date-Night, bei der alle Paare 50 Prozent Rabatt bei allen Fahrgeschäften bekommen. Klingt super. Doof nur, dass die Mitarbeiter*innen des Fahrgeschäftes den Aktionstag ausschließlich auf heterosexuelle Paare bezogen haben.
Daraufhin recherchierte die Antidiskriminierungsstelle und es wurde deutlich, dass mehreren homosexuellen Paaren der Rabatt auf dem Jahrmarkt verwehrt wurde.
Szenenwechsel: Wieder Samstagabend, wieder in Schleswig-Holstein. Amir und Farid, zwei geflüchtete Männer aus Afghanistan, wollen feiern gehen. Als sie eine Disco betreten wollen, sagt der Türsteher: „Nein, ihr seid Ausländer. Ihr kommt nicht rein. Heute könnte Barack Obama kommen, selbst der käme nicht rein.“
Die Antidiskriminierungsstelle wird wieder aktiv, recherchiert und stellt fest, dass es bereits einige Zeitungsartikel zu Rassismusvorwürfen gegen die Disco gibt. Außerdem gibt zahlreiche Facebook-Posts, in denen Personen ähnliche Erfahrungen schildern.
Was machen diese zwei Beispiele deutlich?
Erstens: Diskriminierung, in diesem Fall Rassismus und Homofeindlichkeit, sind in Schleswig-Holstein etwas Alltägliches.
Zweitens: Diskriminierung findet in der Mitte unserer Gesellschaft statt. Von ganz normalen Menschen, die auf dem Jahrmarkt oder als Türsteher*innen arbeiten. Dafür muss man nicht an den sogenannten rechten Rand unserer Gesellschaft gucken.
Drittens: Und ich werde nicht müde, dies in jeder meiner Reden zu sagen: Bei Diskriminierung handelt es sich nicht um gefühlte Wahrheiten. Es sind auch keine traurigen Einzelfälle. Es geht um strukturelle Diskriminierung. Schon die einfache Online-Recherche der Antidiskriminierungsstelle in diesen beiden Fällen machte deutlich: Es handelt sich nicht um Einzelfälle, sondern um kollektive Erfahrungen.
Um strukturelle Probleme zu bekämpfen, braucht es strukturelle Maßnahmen. Eine Antidiskriminierungsstelle kann eine solche Maßnahme sein. Und ich danke der Bürgerbeauftragten und dem Team der Antidiskriminierungsstelle für ihre wichtige Arbeit.
Wir als Politik sind gefragt. Der Landesaktionsplan gegen Rassismus, der Aktionsplan „Echte Vielfalt“ für die Akzeptanz vielfältiger sexueller Identitäten, der Vertrag zur Förderung des jüdischen Lebens in Schleswig-Holstein, der Landesaktionsplan zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen – das alles ist kein Selbstzweck.
Wir müssen unsere Gesellschaft gegen Diskriminierung immunisieren. Das ist Sinn und Zweck hinter diesen Aktionsplänen.
Wir führen in Deutschland oft zeitgleich Debatten darüber, ob es jegliche Formen von Menschenfeindlichkeit tatsächlich gibt, während sie doch für so viele Menschen an der Tagesordnung sind.
Wir müssen dringend von diesem Modus des Zweifelns wegkommen. Wir müssen anerkennen, dass Rassismus, Sexismus und viele andere Diskriminierungsformen gesellschaftliche Realitäten sind. Wir müssen aktiv werden, in unserem Handeln und in unserer Politik.
Wir müssen Zusammenhänge unseres politischen Handels verstehen und nicht losgelöst von einander betrachten. So führen zum Beispiel eine restriktive Asylpolitik und die elendige, erneute Debatte über eine Leitkultur zu mehr rassistischem Denken und Handeln.
Ich erwarte von uns mehr als Lippenbekenntnisse. Ich erwarte von uns politisches Handeln mit größter Überzeugung. Das ist es, was uns dieser Tätigkeitsbericht zeigt. Der Bericht ist eine Aufforderung an uns.