Liebe Alle,
Ich freue mich, dass ich heute hier bin und zu einem Thema sprechen darf, das nicht immer leicht zu diskutieren ist. Weil es oft darauf ankommt, vor wem man spricht. Wer wie viel über das Thema weiß. Ich glaube, dass ich vor mir Menschen habe bei denen:
Die Einen einen persönlichen und/oder wissenschaftlichen Erfahrungsschatz haben.
Die Anderen sich schon einmal grob mit dem Thema auseinandergesetzt haben.
Und wiederum andere, die sich zum ersten Mal mit dem Thema auseinandersetzen.
Ich sags ganz ehrlich, oft spreche ich über dieses Thema und das meist in einem Kontext, in dem ich zu einer dieser Gruppen spreche.
Heute ist das anders und das macht es für mich besonders und spricht für diese Tagung, weil es eben auch diese Räume braucht, in denen die Teilnehmer*innen so divers wissend aufgestellt sind.
Aber bevor ich das tue, möchte ich euch erst einmal sagen, wer ich überhaupt bin.
Ich bin Aminata und meine Eltern sind vor 26 Jahren, also in dem Jahr, in dem ich geboren wurde, von einem Bürgerkrieg geschütteltem Land – Mali – nach Deutschland geflohen. Die ersten 5 Jahre meines Lebens habe wir in einer Flüchtlingsunterkunft gelebt. Bis ich 12 war und wir finally den deutschen Pass hatten, wussten meine Eltern, meine Schwestern und ich nicht, ob wir in Deutschland bleiben dürfen. Alle 6 Monate wurde uns für weitere 6 Monate der Aufenthalt verlängert und das über 12 Jahre. Ich wollte nie wieder etwas mit dem Thema Flucht und Ausländerbehörden zu tun haben.
12 Jahre später, mit 24 Jahren, wurde ich in Schleswig-Holstein zur ersten Schwarzen Landtagsabgeordneten gewählt. Das war im Juni letzten Jahres. Und wie das Schicksal es so wollte, habe ich kandidiert, um dann flüchtlings- und migrationspolitische Sprecherin zu werden. Warum ich mich dafür entschieden habe, erfahrt ihr später.
Als ich Narku gefragt habe, worüber genau ich denn referieren soll, hat er mich darum gebeten die Frage zu beantworten: „Wie sollten Schwarze/ migrantische Communities/ NGOs und Politik zusammenarbeiten, um Rassismus zu bekämpfen?“
Und wenn es um Rassismus im politischen Kontext geht, dann gibt es als Schwarze Politikerin, die ich bin, immer zwei Dimensionen zu betrachten:
Die eine im politischen Raum, also im Parlament, mit anderen Politiker*innen, mit Institutionen und letzten Endes natürlich mit NGOs.
Ich finde, dass es ist zwingend notwendig ist, dass People of Color, die in zivilgesellschaftlichen Bündnissen arbeiten und diejenigen, die zu diesem Thema forschen zusammenarbeiten. Das Wissen und die Erfahrungen sind da.
Ich bin der Meinung, dass Politiker*innen wiederum in der Verantwortung sind auf Menschen zu zugehen. Und das übrigens egal, um welchen Bereich es geht. In Teilen findet es statt und im überragendem Maßen sehen wir aber nicht, dass die Position von Schwarzen Menschen/ PoCs vehement vertreten wird von Politiker*innen.
Dort wo wir merken, dass es nicht stattfindet, müssen wir als Schwarze/ POC Community Menschen, die unsere Stimmen erhalten haben, in die Pflicht nehmen unsere Positionen zu vertreten. Wir können nicht darauf warten, dass sie uns ansprechen. Wir müssen uns selbst auf den Weg machen und es vehement einfordern. Immer und immer wieder. So entsteht Bewegung und resultiert in Veränderung.
Schwarze Entscheidungsträger*innen sind meiner Meinung nach in der Verantwortung Themen, die uns betreffen nach vorne zu stellen und dafür zu kämpfen.
Deshalb habe ich in den schleswig-holsteinischen Koaltionsvertrag hinein verhandelt, dass es einen Aktionsplan gegen Rassismus geben wird. Nächstes Jahr wird der Prozess nun gestartet.
Und für mich geht es übrigens um mehr als, dass ich die Positionen Schwarzer Menschen in das Parlament trage. Ich möchte, dass mehr Schwarze Menschen in den Parlamenten und in Parteien sind und für unsere Positionen kämpfen.
Und eine andere Dimension, wenn man als Schwarze Politikerin, die ich bin, über Rassismus spricht, ist, die persönliche. Wenn man sich dazu entscheidet für ein Thema zu kämpfen und die Sprecherinnenrolle in der eigenen Fraktion zu übernehmen und damit auch nach draußen zu wirken und von dem Thema selbst betroffen ist, dann verbindet es das Private und Politische natürlich zwangsläufig.
Und deshalb möchte ich euch einen Text vortragen, den ich vor kurzem geschrieben und auch über meine Social Media Kanäle geteilt habe:
„Wieder eine Woche um, in der ich die absurdesten Gespräche über Rassismus und das N-Wort geführt hab. In der ich gefragt wurde, ob ich Rassismus in Deutschland schon einmal erlebt habe. Fragt mich lieber, ob ich schon einmal eine Woche hatte, in der ich keinen erlebt habe.
Ich frage mich immer, ob Menschen in Zusammenhang bringen, dass der Rassismus von dem in der Theorie gesprochen wird, Menschen in der Realität widerfährt und es nur Sinn macht ihn zu bekämpfen, weil es Menschen gibt, die darunter leiden.
Und ich sags ganz ehrlich, es sind Wochen, in denen sich die Ereignisse so dermaßen überschlagen, dass einem die Motivation für Vieles fehlt. Und dann folgt immer die Frage: „Echt, sag doch mal, was alles passiert ist?“ Und i.d.R. tue ich das auch. Aber bins inzwischen Leid.
Ich muss nicht jede Beleidigung wiederholen, die man mir entgegen schleudert oder rassistische Erfahrung erneut berichten, sondern mein Gegenüber kann erstmal versuchen zu glauben, dass es stimmt, dass ich rassistische Erfahrungen mache. Try it. Just listen.
Weil nach dem Mitteilen oft die Infragestellung der rassistischen Erfahrung folgt. „Vielleicht hat es die Person nicht so gemeint!“ „Vielleicht bist du zu sensibel.“ Ja, oder ich kenne mich mit Rassismus aus und zwar aus persönlicher wie wissenschaftlicher Perspektive.
Und seit wann ist man raus aus der Verantwortung, nur weil es keinen Vorsatz gab? Die Verletzung hat stattgefunden und hinterlässt Narben. Und diese sind keine ausschließlich persönlichen oder individuellen, sondern kollektive Erfahrungen und struktureller Rassismus.
Rassismus äußert sich über rassistische Politiken, rassistische Alltagserfahrungen, rassistische Begriffe, rassistische Berichterstattung usw.
Deshalb, ja, man erlebt Rassismus. Du auch. Egal, ob du davon betroffen bist oder nicht. Du lebst in den selben Strukturen wie ich.
Der einzige Unterscheid kann sein, dass du es nicht siehst. Weil es dein Leben nicht wesentlich betrifft oder verschlechtert. Deshalb nimmst du es nur partiell oder gar nicht wahr. Das ist auch sehr problematisch. Aber lässt dich die Welt schlichtweg mit anderen Augen sehen.
Die Frage ist für mich immer, was folgt aus alle dem? Rassistische Strukturen sind da, um Menschengruppen klein zu halten. Menschen zu benachteiligen. Sie nicht teilhaben zu lassen.
Ich bin da, um genau dagegen anzukämpfen und diese Strukturen aufzubrechen.
Deshalb folgt nach so einer Woche, die Woche des noch überzeugteren Kampfes gegen Rassismus. Ganz einfach, weil es für mich nach wie vor absolut keinen Sinn macht, dass Menschen andere Menschen schlechter behandeln.“
Ich weiß, dass es Menschen gibt, die davon überzeugt sind, dass es deshalb notwendig und wichtig ist, dass man am besten keinen persönlichen Bezug zu den politischen Themenfelder haben sollte, die man bearbeitet. Weil es keine Grenze gibt. Weil es zu sehr verschwimmt.
Die gleiche Diskussion haben wir übrigens auch in der Wissenschaft. Als objektiv gilt, die größtmögliche Distanz zu dem Thema, zu dem man forscht oder arbeitet.
Als ich meine Bachelorarbeit zu der Schwarzen Frauenbewegung in Deutschland geschrieben habe, war ich dem Vorwurf auch konfrontiert. Aber wer bestimmt eigentlich, was vermeintlich objektiv ist und wie kann jemand überhaupt objektiv sein? Wir sind alle Produkte unserer Erfahrungen, Erlebnisse und Vergangenheit.
Ich bin der festen Überzeugung, dass es sowas von immens wichtig ist, gerade in diesen Themenbereichen auf die Selbstvertretung zu pochen und sie einzufordern. Ich bin politisch geworden, weil ich gesellschaftliche Missstände am eigenen Leib erlebt habe und gemerkt habe, dass es ein kollektives Problem ist und kein individuelles.
Es ist der Grund, weshalb ich mich entschieden habe, Politik zu machen. Nicht, weil ich einfach Politikerin sein wollte und die Idee nett fand. Nein, ganz im Gegenteil, ich war mir absolut im Klaren darüber, dass es eine schwierige und herausfordernde Aufgabe sein wird und ich sau jung bin mit damals 24 Jahren, um politische Verantwortung zu tragen.
Ich wollte und will nach wie vor etwas an dem Zustand verändern, dass Menschen auf Grund ihrer Hautfarbe, ihrer Religion und/oder Herkunft benachteiligt werden. Und lasst es mich umdrehen. Das Aufzählen von Hautfarbe, Religion und Herkunft suggeriert, dass das das Problem ist. Aber so ist es nicht. Das Problem ist, dass Menschen ihre Menschenfeindlichkeit durch die vermeintliche Andersartigkeit der Hautfarbe, Herkunft und Religion legitimieren. Und das ist das Kernproblem.
Ich bin der festen Überzeugung, dass es einer Selbstvertretung braucht, um Strukturen aufzubrechen und Probleme zu behandeln.
In der Wirtschaftspolitik würden wir nie auf die Expertise eines Unternehmers oder einer Unternehmerin verzichten. Bei der Frage von Minderheiten, marginalisierten und/ oder benachteiligten Gruppen trauen wir den Expert*innen, sie selbst, nämlich nicht zu am besten über ihre Situation Bescheid zu wissen und das finde ich falsch.
Und ich will diese Frage um einen Punkt ergänzen:
Was können auch diejenigen tun, die nicht teil einer Schwarzen oder migrantischen Community sind.
Das, was ich nun sage, sage ich vor dem Hintergrund, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der nicht jede*r den Zugang zu Politik, zu Institutionen, zu Entscheidungsträgern hat und gerade Schwarze und migrantische Communities benachteiligt im Zugang sind.
Im Laufe meiner Arbeit ist mir oft aufgefallen, dass mir bestimmtes Wissen bzw. Erfahrungen fehlen. Und ich meine das abseits von politischen Prozessen, die man mit der Zeit lernt und die man irgendwann verinnerlicht hat.
Ich hab euch meine Geschichte erzählt. Ihr wisst woher ich komme. Und da hat man keinen natürlichen Zugang zu Politik und politischen Prozessen. Und da geht es nicht nur mir so als jemand aus der Schwarzen Community, aufgewachsen in einer Flüchtlingsunterkunft so, sondern den meisten Gruppen, die zu einer Minderheit gehören.
Deshalb nutzt die Zugänge, die ihr habt, dadurch dass ihr Teil der Mehrheitsgesellschaft seid. Euch wird manchmal zugehört, wo den migrantischen nicht zugehört wird.
Sprecht nicht für sie, sprecht mit ihnen und teilt dann ihre Erfahrungen und ihr Wissen.
Ermöglicht ihnen den Zugang.
Das Schlimme mit Privilegien ist, dass man meist nicht um sie weiß. Sie für selbstverständlich hält.
Seid euch über diese Selbstverständlichkeiten bewusst und verändert dadurch.
Weil ihr, die ihr hier seid und nicht von Rassismus betroffen seid, ja hier seid, um euch zu solidarisieren und den Status Quo zu verändern. Und das ist so wichtig.
Das Wissen um die Zugänge ist ein Privileg, das mit unglaublicher Macht über politische Einflussmöglichkeiten zusammen hängt. Sprich: Wenn ich schlichtweg nicht einmal um bestimmte politische oder parlamentarische Prozesse Bescheid weiß, dann geht es noch nicht einmal um das Aufbrechen, aber um das schlichte Wissen, um dann im nächsten Schritt in Aktion zu treten, sich zu organisieren und zu verändern – und nachhaltig.
Und wir müssen als Zivilgesellschaft und als Politik über so viele Fragen diskutieren und sie vor allem beantworten:
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Wie umgehen mit Rassismus in unserer Gesellschaft?
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Was müssen wir tun, um Rassismus Mitten in unserer Gesellschaft zu bekämpfen
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Und wie können politische Kräfte zusammen arbeiten?
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