Eröffnungsrede bei der Ausstellung „Homestory Deutschland“ in Kiel
Wie sichtbar sind wir als Schwarze Deutsche, als Afrodeutsche, als Schwarze, die in Deutschland leben? Wie sichtbar sind wir in einer Gesellschaft, der wir nicht erst seit gestern angehören und die wir auch nicht erst seit gestern mitgestalten?
Liebe Gäste, liebe Alle, ich freue mich sehr, dass ich heute die Eröffnungsrede zu der Ausstellung HOMESTORY Deutschland halten darf.
Ich persönlich halte diese Ausstellungswoche von 10 Tagen, in der wir alle gemeinsam Schwarzes Leben sichtbar machen wollen, für unglaublich wichtig.
Ich halte es für so wichtig, weil, wenn wir ehrlich sind, wie oft sind wir es? Sichtbar? In Büchern? In Filmen? In Serien? In Werbung? In Politik? In Journalismus? In Wirtschaft? In Universitäten? In der Kultur? In jeglichen gesellschaftlichen Bereichen, in denen wir tagtäglich mitwirken, aber schlichtweg nicht gesehen werden.
Vor einigen Jahren habe ich das Buch zur Ausstellung Homestory geschenkt bekommen. Schwarzes Leben in Deutschland.
Aktuell. Vielfältig. Sichtbar.
Etwas, was selten zusammen kommt.
Und ich hoffe, dass diese Ausstellung dasselbe mit vielen Menschen macht, was es mit mir gemacht hat: Ich hab mich bestärkt gefühlt. Ich hab mich vertreten gefühlt. Ich hab mich bestätigt darin gefühlt, dass wir da sind und gestalten.
Ich möchte nicht so anmaßend sein und für alle Schwarzen Menschen in Deutschland sprechen, aber im Austausch mit vielen, ist mir eins durchaus in Erinnerung geblieben. Wie man sich fühlt, wenn man hier aufwächst, wenn man hier herkommt, wenn man hier lebt.
Man ist Teil einer Minderheit, die behaftet ist mit Stereotypen, mit Rassismen und mit Vorurteilen. In Schulbüchern zum Beispiel, in denen Schwarze Menschen in der Regel nur als arm, ungebildet und minderwertig gezeigt und in Teilen sogar mit rassistischen Begriffen beschrieben werden.
Man ist Teil einer Minderheit, die selten für sich spricht, sondern über die gesprochen wird. Man wird oft bebildert als Gruppe, die es ohne die Hilfe von Weißen Menschen nicht schafft und blendet gerne aus, warum Hilfsprojekte, Spenden, Entwicklungsprojekte überhaupt notwendig sind. Was will ich damit sagen? In der Regel lernt man in der Schule, dass Deutschland relativ spät erst mitgemacht hat beim europäischen Ausbeuten des afrikanischen Kontinents und damit eine relativ geringe bis kaum eine Mitschuld trägt.
Diese Kolonialzeit hängt aber im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Bild, des bedürftigen Kontinents zusammen.
Die Legitimation den Schwarzen Kontinent auszubeuten holten sich Europäer*innen und auch Deutsche Dichter und Denker, indem sie Schwarze Menschen als minderwertig im Vergleich zu weißen darstellten.
Dieses Bild von Schwarzen Menschen ist bis heute in den Köpfen von vielen Menschen verankert.
Und das Schlimme, meiner Meinung nach, ist, dass dieses Bild auch in den Köpfen von vielen Schwarzen Menschen ist. Man wird sooft damit konfrontiert und sooft bebildert und beschrieben auf eine Art und Weise, die negativ ist, dass es viele von uns gibt, die es internalisiert haben, sprich dieser Lüge glauben. Nicht bewusst, nicht gewollt, aber irgendwie resignierend.
Das tut mir persönlich am meisten weh.
Und deshalb ist es wichtig und notwendig, dass wir ein Gegenbild zeichnen. Von dem, was und wer wir sind. Ohne uns zu verstecken, ohne uns als minderwertig zu sehen, sondern als ebenbürtig, kreativ, talentiert, intelligent und vor allem als vielfältig und unterschiedlich.
Den Rassismen zu trotzen und deutlich zu machen, was wir alles sind.
Diesen Beitrag leistet diese Ausstellung der Initiative Schwarze Deutsche, diese Ausstellungswoche hier in Kiel.
Diese Ausstellungswoche hat dazu geführt, dass die unterschiedlichen Schwarzen, afrikanischen Vereine, diasporischen Akteur*innen in Kiel zusammen gekommen sind, gemeinsam mit Akteur*innen wie dem zbbs usw. sich ausgetauscht haben und diese Veranstaltungsreihe auf den Weg gebracht wurde.
Ich bin in Neumünster hier in Schleswig-Holstein geboren und hab die Ehre die erste afrodeutsche Vizepräsidentin eines Parlaments in Deutschland zu sein.
Diese Aufgabe ist eine repräsentative Aufgabe. Das Parlament nach draußen vertreten und das Parlament nach innen mit zu organisieren.
Und als dritte Funktion sehe ich die Bedeutung, die es für uns als Schwarze in Deutschland, als Afrodeutsche hat: Wir sind repräsentiert, wir sind sichtbar an den entscheidenden Stellen unseres deutschen parlamentarischen Systems.
Welche Bedeutung das nicht nur für mich, sondern für eine ganze Gruppe an Menschen hat, merke ich an all den E-Mails, Briefen, Anrufen, Nachrichten und Kommentaren, die ich bekomme.
Politik zu machen als Schwarze Frau ist nicht leicht und mir ist aufgefallen, dass ich das in den letzten 2,5 Jahren, die ich nun Abgeordnete bin, selten berichtet habe, wie schwer eigentlich.
Inzwischen höre ich oft, Mensch, das ging aber alles so leicht und schnell und ohne Widerstände.
Ich erzähle nicht viel davon, weil ich dem Negativem nicht zu viel Raum geben will.
Dem Hass, dem Rassismus, den abartigen Beleidigungen.
Ich wusste, es wird nicht leicht und ich habe es gemacht, damit es nach mir Menschen leichter haben werden.
Und manchmal ist die Last so schwer, dass es sich so anfühlt, als könnte ich es nicht alleine schaffen.
Aber dann merke ich, dass ich damit nicht alleine bin und dass es so vielen Menschen etwas bedeutet. Dass so viele Menschen Mut und Kraft daraus ziehen. Und mein wichtigstes Ziel ist, dass noch mehr den Weg in die Politik wagen.
Und das ist es, was Raum verdient. Die Ermutigung, der Zuspruch, der Zusammenhalt.
Und es sitzen hier heute viele im Raum, die in ihrer Funktion, in den Räumen, in denen sie sich bewegen auch die ersten sind. Die auch oft alleine sind, indem was sie tun. Und sich nicht abhalten lassen.
Die Homestory Deutschland zeigt unendlich viele Akteur*innen, die zum ersten Mal in bestimmten Räumen waren und es bis heute sind.
Mit dieser Ausstellung zeigen wir, afrodeutsches, Schwarzes Leben in Deutschland. Wir gestalten diese Gesellschaft mit und wir haben ein Anrecht darauf gesehen und gehört zu werden.
Deshalb danke ich allen, die daran mitgewirkt haben, dass dieses Projekt hier in Kiel/ Schleswig-Holstein realisiert wird. Von der Initiative Schwarze Deutsche, über die zbbs, über dem Kollektiv – afrodeutscher Frauen* und vielen weiteren Akteur*innen.
Ich möchte meine Rede mit den Worten von Toni Morrison beenden, einer afroamerikanischen Schriftstellerin. Sie sagte ihren Studierenden:
„Wenn Sie diese Jobs bekommen, für die Sie so hervorragend ausgebildet wurden, denken Sie daran, dass Ihr eigentlicher Job darin besteht, dass Sie, wenn Sie frei sind, jemanden anderen befreien müssen. Wenn Sie Macht haben, dann ist es Ihr Job jemand anderen auch dazu zu befähigen.“
Ich glaube, dass wir diese Aufgabe alle im übertragenden Sinne haben. Wenn wir es schaffen, in welche Richtung auch immer, dann müssen wir uns gegenseitig unterstützen, damit wir alle es schaffen.
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