Ausstellung gegen häusliche Gewalt in Bad Segeberg
Hier der Bericht in den Lübecker Nachrichten.
Liebe Schülerinnen und Schüler,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Alle,
Ich werde regelmäßig von verschiedenen Akteur*innen in ganz Schleswig-Holstein eingeladen, um über das Thema Gewalt gegen Frauen zu sprechen. Bei Gewalt gegen Frauen handelt es sich um ein strukturelles Problem, das wir im ganzen Land haben.
Es ist kein Problem eines bestimmten „Problemklientels“ in sogenannten „Problemvierteln“ großer Städte. Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, gewaltfrei leben zu können. Dass dies nicht so ist und dass es daher nötig ist, immer wieder darauf aufmerksam zu machen, halte ich für katastrophal.
1. Gewalt gegen Frauen ist ein strukturelles Problem.
2. Gewalt gegen Frauen ist überall.
3. Dass dies so ist, ist kein Geheimnis. Die Studien sind, wie gesagt, bei vielen bekannt.
2013 hat die World Health Organisation die Studie „Violence against women: a global health problem of epidemic proportions“ veröffentlicht. Diese Studie macht deutlich, dass wir es mit einem globalen Problem zu tun haben. Frauen werden überall strukturell benachteiligt und sind überall potenzielle oder tatsächliche Opfer von Gewalt. Und das Ausmaß des Problems ist katastrophal:
• Mehr als ein Drittel aller Frauen weltweit, erleben körperliche und/oder sexuelle Gewalt.
• 30 % aller Frauen erleben Gewalt durch ihren Ehemann oder Partner.
• 38 % aller weiblichen Mordopfer wurden von ihrem Ehemann oder Partner ermordet.
Werfen wir den Blick auf die Europäische Union. Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) hat 2014 eine Studie zum Thema Gewalt gegen Frauen herausgebracht:
• Jede dritte Frau hat angegeben, dass sie seit ihrem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt erlebt hat.
• Über die Hälfte der Frauen, die in der Europäischen Union leben, meiden aus Angst vor körperlichen oder sexuellen Übergriffen bestimmte Orte oder Situationen.
Wie sieht die Situation in Deutschland aus? Kommen wir zu den Zahlen vom Bundesministerium für Frauen. Diese Zahlen sind sogar noch höher als die Zahlen aus den Studien der WHO und der FRA:
• 40 % der in Deutschland lebenden Frauen haben angegeben, dass sie seit ihrem 16. Lebensjahr sexuelle und/oder körperliche Gewalt erlebt haben.
• Fast 60% haben angegeben, sexuell belästigt worden zu sein.
• 42 % gaben an, psychische Gewalt erlebt zu haben.
• Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik wurde 2017 häufiger als jeden dritten Tag in Deutschland eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet.
Gewalt gegen Frauen muss anders diskutiert werden und nicht als Nischenthema. Wir müssen dringend über Gewalt an Frauen als Männerproblem sprechen. Denn genau so wenig wie es ein Geheimnis ist, dass es Gewalt an Frauen gibt, ist es ein Geheimnis, dass die Täter fast immer männlich sind:
• 71 % der Frauen, die Gewalt erlebt haben, haben Gewalt ausschließlich durch Männer erlebt.
• Bei 97 % der sexuellen Belästigungen waren die Täter männlich.
• Bei sexueller Gewalt gaben 99 % der betroffenen Frauen ausschließlich Männer als Täter an.
Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen 2017 haben meine Grünen Kolleg*innen und ich durchgesetzt, dass alle 16 Frauenhäuser in Schleswig-Holstein saniert werden. Ein Programm, das das Land 3 Millionen Euro kostet. Inzwischen wurde das Programm auf über 6 Millionen Euro erhöht und 30 weitere Frauenhaus-Plätze wurden geschaffen. Das war übrigens eines der wenigen Projekte, das tatsächlich mit Zahlen im Koalitionsvertrag hinterlegt wurde. Warum betone ich das? Weil es in dem 115-seitigen Koalitionsvertrag eben keine Selbstverständlichkeit ist. Es macht deutlich, dass das Thema auch seitens der politisch Verantwortlichen im Lande für immens wichtig gesehen wird.
Darüber hinaus möchten wir Grüne, dass die Sicherheit von Frauen als Frage der Inneren Sicherheit gesehen wird und somit stärker in den Fokus rückt.
Meine wichtigste Erkenntnis aus den Besuchen aller 16 Frauenhäuser in Schleswig-Holstein ist, dass Frauen und Mädchen, aber auch queere Menschen von verschiedenen Formen von Gewalt und Diskriminierung betroffen sind. Fragen der inneren Sicherheit sollten nicht nur die großen bullet points, rund um Terrorismus und Extremismus, behandeln. Was ist mit den alltäglichen Gewalterfahrungen, die ein Drittel der Frauen machen? Sollten diese Formen der Gewalt nicht als ebenso wichtig gesehen werden? Ich finde, diese Formen von Gewalt sollten mit einer ebenso großen Ernsthaftigkeit und Wichtigkeit für die gesamtgesellschaftliche Sicherheit behandelt werden.
Es geht dabei nämlich darum, den Fokus zu verschieben. Ich möchte, dass wir weg von der Perspektive kommen, dass Frauen „eben falsche Entscheidungen getroffen haben“ und dass sie sich doch „einfach nur aus gewaltvollen Beziehungen lösen müssen“. In der Theorie klingt das immer so einfach. Es ignoriert aber, dass in einer solchen gewaltvollen Beziehung auch Abhängigkeitsverhältnisse bestehen – emotional, wie materiell. Wir müssen deshalb über männliche Gewalt sprechen und diese stärker sanktionieren, als es derzeit der Fall ist und es als Problem der inneren Sicherheit diskutieren.
Dafür möchte ich weiter parlamentarisch kämpfen. Und zwar an der Seite mit euch und Ihnen. Deshalb freut es mich auch, dass das Team von Fachfrauen aus dem Kreis Segeberg die Ausstellung „Warnsignale häuslicher Gewalt“ hierher geholt hat, um für die Sichtbarkeit des Themas zu kämpfen.
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.