Humanitäres Aufnahmeprogramm – 500 Personen kommen nach Schleswig-Holstein
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir Grüne haben in den Koalitionsverhandlungen den Vorschlag gemacht, 500 Personen in Schleswig-Holstein aufzunehmen. Und ich sag es ganz ehrlich: Wir haben damit gerechnet, dass dieser Vorschlag bei den Verhandlungspartner*innen CDU und FDP auf massiven Widerstand stoßen wird.
Wir waren ernsthaft positiv überrascht und gleichzeitig auch gewillt, als Verhandlungspartner*innen des Flüchtlingsbereichs, dieser Koalition eine Chance zu geben und unserer Partei die Empfehlung auszusprechen, „ja“ zu diesem Bündnis zu sagen. Weil wir damit schlichtweg 500 Personen helfen werden. Auf legalem Weg. Und das ist der entscheidende Punkt.
Was wir derzeit in der bundes- aber auch europapolitischen Debatte beobachten, ist, dass man sich mit Händen und Füßen gegen jegliche Migration wehrt und die illegale Migration verteufelt. Das Problem ist vielmehr, dass es so gut wie keine legalen Wege gibt. Und wenn man ehrlich sein würde in der Debatte, dann würde man nicht nur mit rechter Rhetorik um sich werfen, sondern einen ehrlichen Vorschlag machen. Und der kann nur lauten, wir schaffen legale Wege und dann kann man ja gleichzeitig diskutieren wie man illegale Migration und Schlepperei verhindern kann. Und auch ein Einwanderungsgesetz wäre eine krasse Entlastung.
Und es ist ja auch nicht so, als wäre es für die Menschen selbst ein Geschenk auf einem Gummiboot im Mittelmeer zu sein. Inzwischen macht man sich ja nicht mal mehr die Mühe, zwischen Seenotrettung und Schleppertum zu unterscheiden – eine bewusste Entgleisung, die da stattfindet und maximal von rechts gesteuert wird.
Und gestern hab ich nichts in der Debatte dazu gesagt, als Herr Nobis von der AfD unseren Flüchtlingsbeauftragten hier verunglimpft hat und ihm vorgeworfen hat, ein Schlepper zu sein, aber es ist einfach eine Schäbigkeit, unseren vom Landtag gewählten Beauftragten, der als Kapitän Menschen vor dem Sterben geholfen hat, so in Verruf zu bringen.
Ich für meinen Teil bin froh, dass es Menschen wie Herrn Schmid und zivile Seenotrettungs-NGOs gibt, die eingesprungen sind, um Menschen im Mittelmeer vorm Ertrinken zu helfen, während die Europäische Union an der Stelle mehr auf Grenzschutz durch Frontex, als auf das Retten Menschenleben gesetzt hat.
Ich frag mich wirklich, wo wir angekommen sind, dass wir so über einander als Menschen reden. Ich mag noch zu klein gewesen sein, als meine Eltern hier hergekommen sind und ich denke dieser Tage jedes Mal, Gott sei Dank warst du noch nicht aufnahmefähig. Weil das, was die älteren Generationen erzählen, ist ja, dass die Debatte heute so stattfindet wie damals in den 90er Jahren.
Und ich habe wirklich Respekt vor Menschen wie meiner Mutter, die sich nicht von den Anfeindungen demotivieren haben lassen, die nichts anderes sagen als, sieh zu, dass du weg kommst oder gar nicht erst her kommst. Die trotz Abitur und Hochschulstudium, das ihr nie anerkannt wurde in Deutschland, als Reinigungskraft, als Pflegehelferin, als alles Mögliche gearbeitet hat, auf eigene Faust Deutsch gelernt hat, um ihre Kinder durchzubringen. Die dieses Land lieben gelernt hat, ein Vertrauen in diesen Staat entwickelt hat und ihren Beitrag zu dieser Gesellschaft geleistet hat und dieses Land mitgestaltet hat. Und es gibt viele dieser Geschichten.
Dieser Antrag und die Einigung der Koalition, wie wir dieses Programm umsetzen wollen, kommen zur richtigen Zeit. Circa 68 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Diese Zahl muss man sich immer wieder vergegenwärtigen in der aktuellen Abschottungsdebatte. Davon wurden übrigens in diesem Jahr bis April knapp 179.000 Asylanträge in Europa gestellt. Das passt nicht ganz zur „alle sind in Europa-Story“, die so gerne erzählt wird. Fakt ist, dass die meisten in den Nachbarländern leben.
Wir in Schleswig-Holstein leisten im Vergleich zu der weltweiten Fluchtbewegung einen minimalen Beitrag, aber wir leisten einen. Und das ist für jeden einzelnen und jede einzelne der 500 Person lebensentscheidend. Bei dem humanitären Aufnahmeprogramm haben wir als Land die Möglichkeit zu sagen, wir nehmen auf – immer im Einvernehmen mit dem Bundesinnenministerium – nach § 23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz.
Unsere Aufgabe besteht jetzt darin, eben die Vorüberlegungen, die wir geleistet haben, umzusetzen, die Gespräche mit dem UNHCR fortzuführen, die besonders Schutzbedürftigen wie im Koalitionsvertrag vereinbart Frauen und Kinder in den nächsten vier Jahren hier her zu holen und diese hier zu versorgen und den Start in das neue Leben zu ermöglichen. Das Ganze geht aber nicht ohne die Zusammenarbeit mit den Kommunen. Die Menschen werden dort ankommen. Deshalb ist es uns auch wichtig, dass wir das gemeinsam mit den Kommunen, den Migrationsorganisationen und den Ehrenamtlichen organisieren.
Und abschließend: Ich muss wirklich sagen, ich freue mich auf den Moment, wenn wir hier Menschen aufnehmen werden, die dann genau so wie wir Schleswig-Holsteiner*innen sein werden.
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