Frauen und nicht-binäre Menschen wollen nicht mitgemeint, sondern angesprochen werden
Die AfD hat einen Gesetzesentwurf eingebracht, der geschlechtergerechte Sprache im öffentlichen Dienst verhindern soll, den ihr euch hier durchlesen könnt.
Hier könnt ihr euch meine Gegenrede dazu anschauen.
Meine Rede im Wortlaut:
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleg*innen,
in gewohnter Manier versucht die AfD mal wieder zu provozieren. Das kennen wir ja schon. Der Gesetzesentwurf zeigt im Kern wieder einmal, dass die AfD frauen- und queerfeindlich ist. Jahrzehntelang schon kämpfen Akteur*innen für sprachliche Sichtbarkeit.
Mehr Aufmerksamkeit möchte ich diesem Provokationsversuch jedoch nicht schenken. Stattdessen werde ich erklären, warum wir Grüne schon lange darauf pochen, geschlechtergerechte Sprache zu verwenden und dies auch selbst tun. Wir nutzen das Sternchen. Das ist nur eine von vielen Möglichkeiten, um Frauen und nicht-binäre Personen sprachlich sichtbar zu machen.
Sprache bildet Realität ab, aber erschafft auch Realität. Das ist keine neue Erkenntnis. Was möchte ich damit konkret sagen in Bezug auf den öffentlichen Dienst? Laut DBB Beamtenbund und Tarifunion waren 2017 56 Prozent der Beschäftigten im öffentlichen Dienst in Deutschland weiblich. Laut Statistischem Bundesamt leben aktuell 41 Millionen Männer und 42,1 Millionen Frauen in Deutschland. Schätzungsweise 80.000 Menschen in Deutschland sind intersexuell. Hinzu kommen weitere Menschen, die zwar nicht intersexuell sind, aber trotzdem anderen Geschlechtern als weiblich oder männlich angehören.
Das heißt, dass das generische Maskulinum weder die Realität der Menschen ausdrückt, die diese Sprache benutzen, denn es arbeiten mehr Frauen als Männer im öffentlichen Dienst, noch drückt das generische Maskulinum die Realität der Menschen aus, die angesprochen werden. Also die Bevölkerung, in der es ebenfalls mehr Frauen und nicht-binäre Menschen als Männer gibt. Geschlechtergerechte Sprache ist also auch im öffentlichen Dienst notwendig, um die gesellschaftliche Realität abzubilden.
Das sogenannte generische Maskulinum wird schon lange von der feministischen Linguistik kritisiert, denn es wird wie folgt benutzt: Das Femininum bezeichnet Frauen, während das Maskulinum entweder Männer oder Männer und Frauen bezeichnen soll. In dieser Logik reicht es, dass ein einziger Mann anwesend ist, um eine Gruppe als „Mitarbeiter“ statt „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ oder „Mitarbeitende“ zu bezeichnen. Gleichzeitig werden Frauen nur dann erwähnt, wenn kein einziger Mann anwesend ist. Dann werden sie als „Mitarbeiterinnen“ angesprochen.
Es gibt verschiedene Studien die bestätigen, dass das generische Maskulinum mit Männern und nicht mit Frauen assoziiert wird. So können sich beispielsweise Mädchen besser vorstellen, bestimmte Berufe auszuüben, wenn weibliche Berufsbezeichnungen benutzt werden, zum Beispiel die Feuerwehrfrau.
Sprache ist im Wandel. Vor gar nicht allzu langer Zeit haben wir noch nicht Wörter wie „Laptop, Smartphone, posten, retweeten“ benutzt. Ich vermute, nur wenige Menschen haben jedoch ein Problem mit solchen Wörtern. Und ich vermute ebenfalls, dass niemand darauf besteht, dass im öffentlichen Dienst lieber von einem „mobilen Handtelefon mit Kamera und Internetfunktion“ oder dem „tragbaren, zusammenklappbaren, internetfähigen Rechner“ gesprochen werden soll. Das wäre ja auch Quatsch. Denn wir haben Wörter dafür: Smartphone und Laptop.
Ebenso haben wir Bezeichnungen für Frauen, die zum Beispiel in Schulen unterrichten: Lehrerinnen. Und noch viel besser: Wir haben sogar Lösungen, um alle Menschen, die an Schulen unterrichten, anzusprechen. Auch diejenigen, die sich nicht den binären Geschlechterkategorien zuordnen: Lehrer*innen, Lehrpersonal, Lehrende. Warum also nur einen Teil der Menschen, die Lehrer, ansprechen?
Es heißt immer „Frauen sind mitgemeint“, man solle sich mitgemeint fühlen. Es geht bei Diskriminierung aber nicht um Gefühle, sondern um Realitäten. Wenn wir doch eh mitgemeint sind, wo ist dann das Problem, uns auch ganz faktisch anzusprechen? Ich möchte nicht mitgemeint, sondern angesprochen werden. Das geht nicht nur mir so, sondern auch den vielen Frauen und Menschen aus der queeren Community. Deshalb schließe ich meine Rede folgendermaßen ab: Danke an all euch und Sie unermüdlich Kämpfenden für die sprachliche Sichtbarkeit von Frauen und nicht-binären Menschen. Uns Grüne, mich, habt ihr an eurer Seite.