Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleg*innen, liebe Gäste auf der Tribüne,
vor zwei Wochen habe ich mit Verwunderung einen Welt-Artikel gelesen, indem es heißt, die SPD sei entsetzt über die Grünen. Da war ich erst einmal verwundert. In dem Artikel heißt es weiter, dass die Grünen nun die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Inhaftierung von Familien, Kindern und Jugendlichen schaffen, so Frau Midyatli.
Ganz schön harter Tobak. Und wenn man sich die Punkte, abgesehen von der inszenierten Empörung, anguckt, dann bleibt nicht viel übrig. Frau Midyatli, ich hoffe, dass Sie wissen, dass die Grundlagen für die Inhaftierung von Kindern und Minderjährigen in einem Bundesgesetz und zwar dem Aufenthaltsgesetz im Paragraf 62 Absatz 1 Satz 3 geschaffen wurden. Deshalb ist dieser Vorwurf, wir würden hier Grundlagen schaffen, an den Haaren herbeigezogen. Ich finde das ehrlich gesagt einfach nur unseriös.
Und dann noch ein spannender Punkt: Unser Gesetz sei restriktiver als das in Sachsen. Also, ich empfehle jedem, in beide Gesetze reinzugucken. Dann fällt einem relativ schnell auf, dass das einfach nicht stimmt. Wir haben so ziemlich alle vorhandenen Gesetze zu Abschiebehafteinrichtungen studiert und konnten ehrlich gesagt die wesentlich „besseren“ Punkte schlichtweg nicht finden. Es sei denn, die SPD findet es besser, dass in Sachsen von „Zwangsmaßnahmen bei der medizinischen Versorgung“ die Rede ist. Einen Punkt, den man bei uns nicht findet.
Liebe Kolleg*innen,
jetzt will ich mal zu den Punkten kommen, die sich auf das Gesetz beziehen. Das Bundesgesetz schließt die Inhaftierung von Minderjährigen, wie gesagt, nicht aus. Aber wir haben als Land die Möglichkeit, ein Korrektiv zu Bundesgesetzen zu sein und können unseren Spielraum nutzen. Wir haben die Möglichkeit, Erlasse zu formulieren. Das Innenministerium kann in die Verordnungen ebenfalls weitere Bestimmungen hinein formulieren. So sollen grundsätzlich, aber vor allem bei der Unterbringung von Kindern und Minderjährigen immer mildere Mittel geprüft werden. Es soll in der Praxis möglichst nicht dazu kommen. Für den Fall, dass auf richterliche Anordnung Kinder und Minderjährige inhaftiert werden, soll das Kindeswohl regelmäßig geprüft werden. All das und weitere Punkte sind Forderungen, die wir als Grüne formuliert haben.
Und ich finde auch nicht, dass wir uns als Grüne dafür abfeiern müssen, dass wir die maximalen Verbesserungen raus verhandelt haben. Am Ende des Tages steht nämlich im Raum, dass Menschen, die nicht deutsch sind, Kinder, die nicht deutsch sind, wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Und das ist nicht wegzudiskutieren. Wir würden hier alle anders diskutieren, wenn wir wüssten, es könnte unsere eigenen Kinder betreffen.
Und was mich am meisten an der ganzen Debatte nervt, ist, dass wir uns nicht um den Hauptpunkt kümmern. Die Einrichtungen an sich und die Tatsache, dass im Bundesgesetz nicht ausgeschlossen wird, dass Minderjährige inhaftiert werden können. Und deshalb enttäuscht es mich dermaßen, dass Sie als SPD-Fraktion zu einer Verzerrung der Debatte beitragen und so tut, als wären wir Grüne die Schuldigen, obwohl Sie in Berlin mit am Regierungstisch sitzen.
Und ja klar, Sie sind nicht verantwortlich für alles, was die Bundes-SPD tut, zumindest nicht in Gänze. Aber wenn Sie mutige Oppositionspolitik machen würden, würden Sie loslaufen und die komplette Abschaffung von Abschiebehafteinrichtungen fordern. Oder zumindest die Streichung von bestimmten Paragrafen, wie der Inhaftierung von Kindern und Minderjährigen im Bundesgesetz. Das tun Sie aber nicht. Sie ruhen sich darauf aus, dass die Grünen die Bösen sind. Herzlichen Glückwunsch. Damit helfen Sie keiner einzigen Person, die durch so eine Politik zu Schaden kommt.
Und um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen, heißt es außerdem in dem Artikel, dass wir Grünen uns künftig nicht mehr zu Fragen einer humanitären Flüchtlingspolitik äußern dürfen. Das ist an Dreistigkeit, ehrlich gesagt, nicht zu übertreffen. Ich möchte an dieser Stelle einmal daran erinnern, dass es in Vorbereitung des Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht ein Treffen mit der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsident*innen im Februar 2017 gegeben hat. Dort hat man die Verschärfungen zu Abschiebungen und die Erhöhung von Abschiebehafteinrichtungen verabredet. Auch mitgetragen von SPD-Ministerpräsident*innen, auch vom damaligen SPD-Ministerpräsident aus Schleswig-Holstein.
Sie finden uns unmoralisch und inhuman, weil wir die schwarz-rote Bundesgesetze umsetzen, bitteschön. Sie werfen uns vor, immer dann den Kompass zu verlieren, wenn wir nicht mit Ihnen regieren. Bitteschön.
Aber ich stelle mir immer die Frage, was hätte die SPD wohl getan, wenn es hier nicht zu Jamaika gekommen wäre, sondern zu einer großen Koalition. Wir würden diese Debatte heute trotzdem führen. Weil Sie in Ihrer ganzen Kritik nicht einmal erwähnt haben, wie Sie es eigentlich machen würden, Bundesgesetze zu umgehen. Sie sagen lediglich, wir würden Abschiebehafteinrichtungen auf anderem Boden stattfinden lassen und sind dann raus aus der Nummer. Ich finde Abschiebehafteinrichtungen falsch. Aber auf Landesebene Verantwortung zu tragen heißt auch, sich mit bundespolitischen Realitäten auseinanderzusetzen und das Beste raus zu kämpfen. Und das haben wir getan.
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