Beim Sommerempfang der Nordkirche hat Aminata einen persönlichen Vortrag über ihr Verständnis von Heimat gehalten und ihre Perspektive als junge Schwarze Frau dargelegt. Lest selbst:
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich muss sagen, dass es für mich schon ein besonderer Anlass ist hier heute beim Sommerempfang der Nordkirche zu sprechen. Zu einem Thema, zu dem ich mir privat, so wie wahrscheinlich auch viele andere, Gedanken gemacht habe.
Deshalb habe ich mich sehr gefreut, als die Anfrage über den Bischof Magaard kam, ob ich hier heute zu Heimat „Wirklichkeit und Sehnsucht“ aus meiner Perspektive sprechen kann. Einer Perspektive einer jungen Schwarzen Frau, deren Eltern vor 25 Jahren aus Mali nach Deutschland geflohen sind.
Aufwachsend in zwei Welten – in der Tradition, mit dem Essen, mit der Musik und den Bräuchen der Heimat der Eltern und auf der anderen Seite in der Heimat in der man lebt, in Schleswig-Holstein. Genau genommen in Neumünster.
Es ist schwer über Heimat zu sprechen, weil es für die einen der Ort ist, an dem man sich wohl fühlt oder ein Land, eine Stadt oder etwas ganz Privates. Und für die anderen Heimat etwas Ausschließendes bedeutet.
Ich weiß, was Heimat für mich bedeutet. Weiß aber auch, dass es viele Menschen gab und gibt, die mir und vielen anderen absprechen, das hier – unsere Heimat zu nennen.
Und deshalb hab ich als Jugendliche und auch heute noch viel über das Gefühl von Zugehörigkeit geschrieben. Weil es etwas ist, was mich immer begleitet hat und mich vermutlich immer begleiten wird.
Für mich ist Schreiben immer ein Weg gewesen, um Dinge, die mich beschäftigen auch einfach zu verarbeiten, besser fassen zu können, benennen zu können.
Dazu hab ich folgendes geschrieben:
„Ich bilde mir ein, dass man mich jedes Mal fragt:
„Wo kommst du her?“
Ich bilde mir ein, dass jedes Mal die Vermutung dahinter steckt, dass ich nicht aus Deutschland kommen kann.
Ich bilde mir ein, dass die Frage:
„Und wie oft bist du in der Heimat?“, etwas damit zu tun haben könnte, dass die deutsche Heimat nur die Heimat der weißen Deutschen sein könnte und meine Heimat, in der ich solange war, wie manch andere ihren Sommerurlaub in der Fremde verbringen, Schwarz sein muss.
Und irgendwo stimmt es und irgendwo stimmt es nicht.
Heimat-los!
Bin ich heimatlos? Das Heim, das ich meines nenne, wird mir zunehmend weggenommen, denn Heimat ist nicht das was ich denke, was ich dachte.
Mein Heim beginnt da, wo meine Freunde sind, wo meine Familie ist, nicht aber, wo ein Land seine Grenzen gezogen hat – sie gezogen wurden.
Heimat ist nicht dort, wo ich in meiner „Heimat“ auf die Straße gehe, mich die Blicke der Anderen verfolgen, die mir sagen, DU bist die Andere.
Heimat ist nicht da, wo andere mir zurufen, DU bist hier nicht gewollt.
Heimat ist auch nicht der Ort, an dem Andere mir sagen, dass meine Empfindungen minderwertig-er sind. Dass sie nicht wahr und auch nicht echt sind.
Heimat ist nicht der Ort, an dem Andere mir das Gefühl geben – nein! mir sagen, dass ich den falschen Weg gehe, um das, was ich hier erlebe, zu verarbeiten, ohne sich zu fragen, was DAS eigentlich bedeutet.
Heimat ist auch nicht der Ort, an dem man mir das Gefühl gibt, ich sei willkommen, solange ich meine Stimme nicht erhebe.
Solange ich als Beispiel einer konstruierten bemitleidenswerten Gruppe instrumentalisiert werde.
Heimat ist auch nicht der Ort, an dem man mir auf der einen Seite Steine in den Weg legt, ich sie sorgsam beiseite hieve und einen freien Weg habe – nur damit man mir dann sagt, die Steine seien es, die mich vorangetrieben hätten.
Heimat ist kein Los.
Heimat ist bewusst.
Nur bewusst-lose wissen nicht, dass sie eine Heimat haben und andere heimatlos sind.
Was ich mit den Zeilen zum Ausdruck bringen wollte, ist, dass der Begriff Heimat für mich immer in einem Spannungsfeld zwischen der Zugehörigkeit, die von außen markiert wird und dem eigenen Gefühl von zu Hause, Erinnerungen, Familie und Freund*innen steht.
Und dass es Momente gibt, in dem die Gefühle der äußeren Markierung stärker sind und dass es wichtig ist, diese einfach zu benennen.
Aber und das ist mir wichtig zu sagen – das Selbstverständnis zu entwickeln mich selbst so zu sehen wie ich bin – nämlich Schwarz und deutsch – Afrodeutsch – hat mich viele Jahre und viele Überlegungen gekostet. Und dann erst konnte ich für mich sagen, wie meine Heimat aussieht neben dem eigenen Gefühl von zu Hause, Erinnerungen, Familie und Freund*innen.
Sie ist afrodeutsch.“
Zum Schluss:
Wir werden nie einen Raum finden, in dem alle Menschen einer Meinung sind, in der Begriffe, Zusammenhänge immer dasselbe bedeuten. Es ist Ernst Bloch, der sinngemäß beschreibt, dass Heimat ein Ort ist von dem wir alle sprechen, aber noch nie jemand da war.
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