Selbstbestimmung durch sachliche Information muss möglich sein
Die AfD hat einen Antrag „Werbung für Schwangerschaftsabbrüche nicht zulassen – § 219a StGB
beibehalten“ gestellt, den ihr euch hier durchlesen könnt. Wir haben als Koalition folgenden Alternativantrag „Sachliche Information zu Schwangerschaftsabbrüchen“ gestellt, den ihr hier findet.
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleg*innen, liebe Gäste auf der Tribüne,
Wir diskutieren gerade über ein extrem sensibles Thema. Und zwar in alle Richtungen. Für viele Frauen bedeutet eine ungewollte Schwangerschaft eine riesige Zäsur in ihrem Leben. Nicht jede kann die Herausforderung „Leben mit Kind“ zu jedem Zeitpunkt bewältigen. Sie steht in einem Konflikt zwischen ihrem Recht auf Selbstbestimmung und dem des ungeborenen Kindes.
Aber um diese extrem schwierige Grundsatzfrage geht es heute nicht – zumindest nicht im Kern. Es geht um Frauen, die völlig legal nach geltendem Recht einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen möchten. Es geht nicht darum, dass nun mehr oder weniger Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden.
Das ärztliche Standesrecht verbietet Ärzt*innen grundsätzlich irreführende, anpreisende und berufswidrige Werbung. Das gilt natürlich auch für Gynäkolog*innen und Schwangerschaftsabbrüche.
Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verbietet unterschiedlichste Handlungen von Dienstleister*innen, die dazu geeignet sind, sich einen Vorteil gegenüber Konkurrenti*innen zu verschaffen. Ärzt*innen sind medizinische Dienstleister*innen auch auf sie trifft dieses Gesetz zu.
Aus Grüner Sicht, gibt es deshalb keine Veranlassung Werbung für Schwangerschaftsabbrüche zusätzlich im Strafgesetzbuch zu verbieten. Wir fänden es am einfachsten, den § 219a StGB ersatzlos zu streichen. Die Folge: Sachliche Informationen sind möglich, Werbung bleibt verboten. Eine gute Lösung und eine überfällige.
Eine Abtreibung bleibt nach § 218a straffrei, wenn sie von einer Ärzt*in vorgenommen wird, vor der 12. Woche stattfindet und eine umfassende Beratung stattgefunden hat.
Wenn ich in meinen Bekannten- und Freund*innenkreis, in meine Partei gucke, dann hab ich diese Auseinandersetzung über dieses Thema nicht so polarisierend.
Man ist sich ziemlich einig darüber, dass die Selbstbestimmung der Frau solange erkämpft wurde und das sie weiterhin erkämpft und ausgebaut werden muss. Und das ist der Hauptpunkt für uns Grüne.
Wir diskutieren hier über ein Thema, das die Hälfte der Gesellschaft betrifft. Während nur 30 Prozent in diesem Parlament von Frauen vertreten ist. Das finde ich nicht unerheblich in dieser Frage. Es heißt nämlich, dass nur 30 Prozent derer, die hier diese hochsensible Frage beantworten müssen, überhaupt nur in der Situation sein können oder womöglich schon waren.
Bei der Diskussion, die wir Grünen mit der CDU und der FDP führten, wie wir auf einen gemeinsamen Weg kommen, fand nicht nur die Auseinandersetzung zwischen dreier Parteien statt, die sich für 5 Jahre darauf geeinigt haben dieses Land gemeinsam zu regieren.
Es gibt zu dieser Frage und zu diesem Thema auch gesamtgesellschaftlich nicht nur eine Meinung und die vertreten wir hier ja auch jeweils. Ich finde man kann das in einer solchen Parlamentsdebatte auch mal offen ansprechen: Wir hätten uns in dieser Frage nicht diametraler gegenüber stehen können.
Auf der einen Seite die Position von uns Grünen, die wir für die Streichung des Paragrafen 219a sind und auf der anderen Seite die Position der Beibehaltung des Paragrafen oder die teilweise Streichung.
Uns eint hingegen das gemeinsame Ziel, dass es möglich sein muss, Ärzt*innen nicht dafür zu bestrafen und, dass Frauen sachliche Informationen zu bekommen.
Und als Folge: sich der bestehenden Bundesratsinitiative nicht völlig zu verschließen, sondern all genanntes zu berücksichtigen, das Urteil mit in den Blick zu nehmen und sich offen zu zeigen.
Wir haben uns als Koalition vorgenommen 5 Jahre gemeinsam dieses Land zu gestalten, uns zu gesamtgesellschaftlichen Fragen zu verhalten. Wir haben mal Themen, in denen wir völlig unterschiedlich auf die Dinge blicken.
Aber sich bei diesem extrem schwierigen, ethischen, kontroversen Thema zusammen auf einen Weg zu begeben, zeigt meiner Meinung nach, dass wir auch den Anspruch haben, sich nicht einfach nur zu enthalten, sondern zu sagen, wir haben uns vorgenommen zusammen, progressiv nach vorne zu blicken und auch bei den schwierigen Themen zu gucken, wie wir uns einen können.
Wenn wir in dieser Art fortfahren zu diskutieren und politisch zu gestalten, setzen wir um, was wir uns als Koalition vorgenommen haben: gemeinsam in einem bislang einmalig im Saarland existierenden und dann gescheiterten Bündnis sich auch den Zukunftsfragen zu stellen.
Die beste Lösung, unabhängig von ideologisch verhafteten Standpunkten, zu finden. Und das ist mir, das ist uns wichtig.