Rede: Die Vorschläge des Bundesinnenministers sind leider größtenteils nicht hilfreich
Sehr geehrte Damen und Herren,
viele der Themen in Ihrem Antrag werden in unserem Koalitionsvertrag bereits aufgegriffen, wir haben zum Glück aber andere Lösungsvorschläge. Ich gehe jetzt einmal konkret einige Punkte ihres Antrages durch.
Ankerzentren: Ich verstehe nicht, wie man auf die Idee kommt: „Hey, lasst uns doch einfach 2000 Leute zusammenpferchen in Ankerzentren und dann haben wir keine Probleme mehr.“ Das funktioniert so nicht.
Ich bin froh, dass unser Innenminister Grote dem Ganzen bereits eine Absage erteilt hat. Der Bundinnenminister will bis zum Sommer ein Gesetz vorlegen und ich kann nur hoffen, dass wir dadurch nicht verpflichtet werden, Ankerzentren einzurichten.
Deshalb ist es gut, dass die meisten Länder bereits im Vorfeld signalisieren, dass sie das nicht mitmachen wollen. Und damit lehnen wir auch den nächsten Punkt ihres Antrags ab: Altersfeststellung bei unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten in den Ankerzentren. Dazu haben wir übrigens auch einen Antrag im Februar eingebracht, dass wir eine neue Regelung nicht brauchen.
Widerrufsprüfungen: Sie schlucken Kapazitäten bei Ländern, bei denen klar ist, dass nach wie vor Krieg herrscht, wie beispielsweise in Syrien und schaffen keine Schnelligkeit, die Sie doch eigentlich laut Antragstitel fordern.
Freiwillige Ausreise: Haben wir viel Geld reingesteckt im letzten Haushalt und wir sehen uns jetzt gerade in der Verantwortung, die Beratungen auszubauen.
Sichere Herkunftsstaaten: Wir werden diesem Konzept als Grüne nicht zustimmen und haben die Enthaltung im Bundesrat im Koalitionsvertrag dokumentiert.
Fazit: Entweder wir machen bereits etwas, es gibt schon gesetzliche Regelungen oder wir lehnen es kategorisch ab.
Alle Parteien sind sich, glaube ich, einig darüber, dass die Verfahren schneller werden, aber eben auch sorgfältig sein müssen. Aber, und das muss man sich ganz genau angucken, die Motivation dahinter könnte nicht unterschiedlicher sein. Die einen wollen das, damit nicht so lange Unsicherheit über die eigene Situation besteht und die anderen, damit schneller abgeschoben werden kann.
Wenn ich das Ganze im bundespolitischen Kontext um das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge betrachte, dann fände ich eine Auseinandersetzung mit der Frage spannend, was das eigentlich für Leute in bestehenden Verfahren bedeutet, wenn sie tagtäglich mitbekommen, dass ihre Bescheide möglicherweise falsch sind. Diese Perspektive kommt mir deutlich zu kurz.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge braucht Unterstützung. Moralische wie auch personelle. Menschen, die in der Hochphase gesagt haben, sie machen diesen Job, sollte man dafür danken, dass sie sich dieser Aufgabe angenommen haben.
Die Forderung der Grünen Bundestagsfraktion nach einer Reform des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, damit in einem rechtsstaatlichen und ordnungsgemäßen Verfahren Entscheidungen getroffen werden können, unterstützen wir.
Es kommt mir in dieser Debatte auch zu kurz, dass es nicht nur um vermeintlich zu Unrecht positiv beschiedene Fälle geht, sondern auch um negative Bescheide, die eigentlich hätten positiv beschieden werden müssen.
Gestern erst hat mich der Kollege Tobias Loose zu einem Gespräch mit vielen Menschen mit Fluchthintergrund eingeladen. Da werden aus Zahlen schlichtweg Geschichten. Da wird aus den Begriffen „schlechte Bleibeperspektive“, der Afghane, der sich mit seinem Bauingenieursabschluss aus der Heimat um einen Studienplatz hier in Kiel bemüht, aber nicht weiß, ob er bleiben kann, während wir hier in Deutschland über Fachkräftemangel diskutieren.
Das ist nur ein Problem von vielen anderen, reellen Problemen im Bereich Asyl und Integration, die man angehen muss.
Ich sehe die leidige Debatte in 20 Jahren auf uns zukommen. Dann wird es nicht mehr heißen, die türkischstämmigen haben sich nicht integriert, sondern die Afghan*innen. Schlagzeile: Misslungene Integration.
Und kein Mensch will sich dann wieder daran erinnern, dass man es Menschen mit derzeit schlechter Bleibeperspektive eben nicht ermöglicht hat, an Deutschkursen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge teilzunehmen und ihnen den Weg zum Arbeitsmarkt erschwert hat. Dann heißt es wahrscheinlich: „Die Afghan*innen leben in einer Parallelgesellschaft.“
Und es will sich dann höchstwahrscheinlich keiner mehr daran erinnern, dass es in Afghanistan nicht sicher war, dass Menschen deshalb nicht dorthin zurück konnten und geblieben sind. Man hat sie nicht abgeschoben, aber man hat sie auch nicht integriert.
Die Vorschläge des Bundesinnenministers sind leider größtenteils nicht hilfreich. Und genau um die Probleme derer, die sich um Ausbildung, Studium, Arbeit und gesellschaftliche Teilhabe bemühen und dennoch Probleme bürokratischer oder aufenthaltsrechtlicher Natur haben, sollte sich meines Erachtens ein Bundesinnenminister kümmern. Und nicht mit Vorschlägen, die den Ländern das Leben zur Hölle machen.
Wir haben viele gute Vorschläge in unserem Koalitionsvertrag. Davon haben wir bereits einiges umgesetzt und anderen arbeiten wir grade konstruktiv zusammen.
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