ich spreche heute zum ersten Mal auf einem Bundesparteitag zu einem Thema, bei dem ich nie wusste, wie und ob ich es bei uns in der Partei ansprechen kann.
Menschen wie ich sind in demokratischen Strukturen und auch in unserer Partei unterrepräsentiert.
Die Arbeitsgemeinschaft Vielfalt setzt sich genau mit dieser Frage auseinander. Sie umfasst Menschen, die in dieser Gesellschaft zu wenig gehört werden.
Das, was wir von der Gesellschaft erwarten – Vielfältigkeit in den Entscheidungspositionen, müssen wir bei uns zu erst umsetzen.
Was ich an dieser Partei am meisten schätze, ist die Fähigkeit zur Selbstkritik und Selbstreflexion.
Wir haben gerade sehr gute Umfragewerte.
Ist jetzt die Zeit zur Selbstkritik?
Sind andere Themen gerade nicht wichtiger?
Die Frauenrechtler*innen unter euch werden es wissen und jede benachteiligte Gruppe muss es sich immer wieder anhören: „Jetzt ist nicht eure Zeit.“
Aber, liebe Freund*innen und Freunde, jetzt ist die verdammt richtige Zeit.
Es ist mir völlig egal, was für Ausreden es heute gibt.
Ich bin davon überzeugt, dass man mehrere Themen gleichzeitig setzen kann.
Liebe Freund*innen,
bei der Frage von politischer Selbstvertretung und unseren Forderungen als AG Vielfalt, geht es nicht darum die vermeintlich individuellen Probleme zu bearbeiten.
Ja, ich persönlich finde es extrem scheiße, rassistische Erfahrungen zu machen. Es tut weh. Aber was auch wehtut sind die Erfahrungen, die so verdammt viele Menschen, immer und immer wieder erleben, weil sie nicht aussehen wie die Mehrheitsgesellschaft, weil sie einen anderen Namen haben als die Mehrheitsgesellschaft, weil sie anders lieben als die Mehrheitsgesellschaft, weil sie in diese verdammten Normen nicht hineinpassen. Es sind kollektive Erfahrungen.
Es geht darum das in der Verfassung verbriefte Recht auf ein diskriminierungsfreies Leben einzufordern.
Diskriminierung verhindert Teilhabe und sie sichert Macht an anderer Stelle. Sie ist Struktur.
Warum sollten wir uns mit dieser Struktur abfinden?
Dafür müssen wir bei uns selbst anfangen.
Ich führe viele Gespräche mit Menschen in unserer Partei, die sagen: „Amina, mir ist es egal, wo du herkommst. Wir sind alle gleich. Beton‘ das doch nicht immer.“
Aber, warum sollte ich vergessen, wo ich herkomme?
Ich bin afrodeutsch und habe kein Interesse daran einen Teil von mir nicht zu benennen. Ich bin froh über die beiden Welten, in denen in groß geworden bin. Aber es ist eben auch nicht leicht als Schwarze Person, die in einer Flüchtlingsunterkunft großgeworden ist, hier zu bestehen.
Ein Grund, weshalb ich in die Politik gegangen bin.
Indem man sagt: „Ey, ist doch voll egal, wo du herkommst!“, verkennt man, dass wir unterschiedliche Startbedingungen haben. Ersetzt Mensch mit Migrationshintergrund, Mensch mit Behinderung mit dem Ausdruck Mensch mit schwierigen Startbedingungen und mit anhaltenden Diskriminierungserfahrungen. Dann wisst ihr, weshalb es relevant ist, wo man herkommt und wo man hinwill.
Und deshalb bei aller Freundschaft, erzählt uns nicht, welche Themen wir bearbeiten sollen. Wir entscheiden das selbst. Ob nun politische Selbstvertretung, Wirtschaftspolitik oder beides.
Was wird unsere Aufgabe sein als Partei in den nächsten Monaten und Jahren?
Ja, Wohnungspolitik muss sozial und ökologisch gedacht werden, aber sie muss auch diskriminierungsfrei gedacht werden.
Wirtschaftspolitik muss sozial und ökologisch gedacht werden, aber sie muss auch diskriminierungsfrei gedacht werden.
Wir müssen uns breiter aufstellen, müssen programmatisch diverser werden.
Wir werden als Arbeitsgemeinschaft genau diesen Prozess auf den Weg bringen.
Aber neben der Arbeitsgemeinschaft muss es auch auf jeder einzelnen Ebene stattfinden.
Ich bin Gesine und dem Bundesvorstand dankbar dafür diesen mutigen Prozess gestartet zu haben.
Das können wir als Minderheiten überhaupt nicht alleine stemmen. Weder die Sensibilisierungsarbeit in die Partei hinein, noch in die gesamte Gesellschaft hinein.
Deshalb ist die Forderung, die wir als Arbeitsgemeinschaft haben an die Landesverbände, an die Kreisverbände, an die Ortsverbände: Lasst uns das als Aufgabe verstehen, die für uns unerlässlich ist.
Deshalb unterschätzt die Macht von Repräsentation nicht. Jeden Tag bekomme ich Nachrichten, spreche mit Menschen, die jung sind, Person of Color sind, die sagen wie empowerend und vertreten sie sich fühlen. Dadurch dass ich die jüngste und erste afrodeutsche Vizepräsidentin in Deutschland bin.
Dass motiviert mich jeden Tag.
Dennoch: Belit hat es gestern gesagt, Cem sagt es seit Jahrzehnten und ich sage es heute noch einmal. Es reicht nicht, wenn es einige Schlüsselfiguren gibt. Wir müssen mehr werden.
Wir sind es den Gruppen, die in diesen politisch schwierigen Zeiten schuldig, die unter Beschuss stehen. Sie zählen auf uns, dafür müssen wir uns trauen die Strukturen nach innen zu öffnen und zu hinterfragen.
Wenn wir diese Aufgabe ernsthaft angehen, dann schaffen wir es, dass diejenigen, die noch überlegen, bei uns mitzumachen, tatsächlich Mitglied werden.
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