Hier einmal die Berichterstattung in den Kieler Nachrichten.
Liebe Freund*innen, liebe Gäste, liebe Alle,
vielen Dank erst einmal für die Einladung. Ich freue mich immer wieder bei euch Kieler Grünen zu sein, weil es der Ort ist, an dem ich grün politisiert worden bin.
Es hat sich ne Menge getan seitdem ich das erste Mal bei einerVeranstaltung von euch war. Das ist inzwischen acht Jahre her und es war eine Kreismitgliederversammlung im Legienhof. Ich erinnere mich gut daran, dass neben mir noch so eine Handvoll anderer junger Menschen mit im Raum waren: Luise, Lydia, Johannes Steen und noch eins zwei andere Leute. Ich war zu dem Zeitpunkt 19 Jahre alt und hab gedacht:„Oha, ist das wirklich der Ort, an dem ich sein will und Politik mitgestalten möchte?“
Das ist heute nicht mehr so. Heute ist der grüne KielerKreisverband und auch die Ratsfraktion ein durchmischter Haufen. Und das ist notwendig und richtig.
Die Diskussionen darum, wie Parteien, wie Fraktionen aufgestellt sind, ermüden viele und viele sind der Meinung, dass Faktoren wie Alter, Geschlecht und Herkunft keine Rolle spielen sollten. Ich denk in solchen Momenten immer:
„Schön wär’s!“ Aber an diesem Punkt in unserer Gesellschaft sind wir nicht und wir haben auch einen langen Weg zu gehen, bis das Realität ist. Es geht bei diesen Faktoren nicht nur um vermeintlich Äußeres, sondern darum, welche Erfahrungen macht man in dieser Gesellschaft aufgrund dieser Merkmale. Es macht einen Unterschied, ob man Jung oder Alt, weiß oder Schwarz, Arm oder Reichoder welchen Bildungsgrad man hat. Es macht einen Unterschied, ob diese Perspektiven in der Politik vertreten sind und Politik mitgestalten.
Im Vorfeld hat mich Tim gefragt, worüber ich gerne sprechen möchte und da habe ich einfach mal „Grüne Verantwortung“ gesagt. Ein knackiges, eingrenzbares Thema, bei dem man wenig falsch machen kann.
Aber im Ernst: Ich stelle mir oft die Frage und ich denke vielen von euch geht es ähnlich, was ist unsere Verantwortung in der heutigen Zeit als Grüne?
Am Wochenende habe ich mir die ARD-Dokumentation zu 40 Jahre Grüne angesehen. Ich fands spannend von den Gründungsmitgliedern unsere Partei zu hören.
Wie die Gesellschaft damals auf uns als Partei geblickt hat. Wie wir uns von der Anti-Parteien-Partei zu einer gestaltenden und mitregierenden Partei entwickelt haben. Wie Menschen diese Partei geformt haben und andere diese wiederum verlassen haben. Entscheidungen, die prägend waren und richtig, andere wiederrum bei denen man sich bis heute streitet, wie richtig sie für uns als Partei, aber noch viel wichtiger für uns als deutsche Gesellschaft waren.
Aber das entscheidendste beim Draufblicken dieser Dokumentation fand ich persönlich, wie der Blick von Außenauf uns als Grüne ist und was alles nicht abgebildet worden ist. Wofür wir als Grüne noch stehen und aber das gar nicht Erwähnung fand. Natürlich ist es schwierig eine Partei in ihren 40 Jahren vollständig abzubilden und auf jede einzelne Facette einzugehen, aber ich dachte in diesem Moment, wir sind als Grüne so viel mehr.
Mehr als die Klimaschutz- und Umweltpartei. Das ist ohne Frage eine der elementarsten Fragen unserer Zeit und das müssen wir jederzeit mit der notwendigen Radikalität deutlich machen. Aber wir sind noch mehr.
Wir sind nämlich die Partei, die immer wieder auch den Finger in die Wunde legt, wenn es um das gesellschaftliche Klima geht.
Es gibt so viele Menschen, die auf Grund der Menschenrechts- und Bürger*innenrechtsfragen bei uns sind. Die sich für die Rechte von Frauen, von Lesben, Schwulen, Inter-, Transpersonen, People of Color, sprich – Menschen mit Migrationsgeschichte, Menschen mit Behinderung einsetzen und deshalb bei uns sind.
Ich glaube bei aller Notwendigkeit, die es gibt, klimapolitische Forderungen immer ins Zentrum zu stellen, so sind die gesellschaftspolitischen und sozialpolitischen Fragen einfach nicht außer Acht zu lassen.
Eine der ersten Nachrichten, die ich nach der Europawahl bekommen habe, war: „Ich hoffe, dass die Grünen bei dem Aufschwung durch das Klimathema, nicht vergessen, dass es Menschen gibt, die sie auch auf Grund anderer Themen gewählt haben.“
Das hat mich nachdenklich gemacht und ich finde die Person hat absolut Recht.
Es gibt Dinge, die wir nicht auf das Morgen verschieben dürfen und da sehe ich uns als Grüne in einer immensen Verantwortung: Das reale Klima und das gesellschaftliche Klima und seine Folgen.
Keines von beiden kann warten. Weil beides von uns jetziges Handeln erfordert.
Wer die Ereignisse in den letzten Wochen und Monaten beobachtet hat, der kommt doch eigentlich nicht um die Frage herum: Was passiert in unserer Gesellschaft? Der Mord an Walter Lübcke, der Anschlag auf die Synagoge in Halle oder die Schüsse auf das Bürger*innenbüro von KarambaDiaby, dem ersten Schwarzen Bundestagsabgeordneten. Kommunalpolitiker*innen, die ihr Mandat niederlegen, weil sie von Rechten bedroht werden.
Letzte Woche war so eine Woche, in der ich Inne halten musste und darüber nachgedacht habe, dass es nicht sein kann, dass Menschen mit ihrer Sicherheit bezahlen müssen, wenn sie sich lautstark für Minderheiten einsetzen oder
wenn sie selbst zu einer Minderheit gehören oder im Zweifel beides sind und tun.
Dass Menschen in diesem Land ihre Meinung sagen können und anders aussehen, lieben, leben, glauben als die Mehrheitsgesellschaft ist unsere grüne Verantwortung.
Deshalb dürfen wir nicht mitmachen beim gegeneinander ausspielen von Schwerpunkten. Mit dem Wachsen unserer Partei besteht ja eben genau diese Chance: Viele Menschen zu haben, die sich mit den unterschiedlichsten Themen intensiv auseinandersetzen können.
Zum Schluss möchte ich noch folgendes sagen: ich glaube, dass es richtig ist, dass wir als Grüne vor allem die Verantwortung und den Vertrauensvorschuss sehen, den wir durch die letzte Europawahl oder Umfragewerte bekommen. Das wiegt oft schwer, bemerke ich bei Basismitgliedern sowie Funktionsträger*innen. Auf kommunaler, auf Landes-, auf Bundes-, sowie auf Europaebene. Das ist auch gut so. Wir müssen damit verantwortungsvoll umgehen.
Die Leute legen ihr Vertrauen nicht nur in unsere Hände, weil sie denken, dass passt ihnen jetzt einfach mal spontan. Sie legen ihr Vertrauen in unsere Hände bei den zwei elementaren Fragen dieser Zeit: Wie sieht es aus mit dem Klima und unserem gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Die Attacken auf uns als Grüne werden massiver werden, die Fehlertoleranz geringer, die Freude darüber, wenn die Zustimmungswerte sinken, hämischer. Aber lasst uns nicht davon beirren lassen.
Lasst uns das als Ansporn verstehen und mit der Kraft und der Energie, die wir von den Bewegungen da draußen bekommen – der Klimabewegung aber auch den Bewegungen für eine gerechtere und gleichgestelltere Gesellschaft – die nächsten Monate und Jahre gestalten.
Das sollte uns Respekt einflößen, aber vor allem Energie,diese Kraft in politisches Handeln zu übersetzen.