mein Name ist Aminata Touré. Ich bin seit 2017 unter anderem frauenpolitische Sprecherin der Grünen Landtagsfraktion und seit 2019 Landtagsvizepräsidentin. Ein Teil meiner Arbeit ist es, mich fast jede Woche mit Verbänden und Initiativen aus meinen Themenbereichen zu treffen. Bei Ihnen, den Landfrauen war ich aber tatsächlich bisher noch nicht. Umso mehr freue ich mich, dass Sie mich eingeladen haben, heute ein Grußwort zu sprechen. Wenn nun auch hier aus meinem Home Office.
Ich habe nun schon indirekt auf das Thema Corona übergeleitet. Der Grund, weshalb wir uns heute nicht direkt gegenübersitzen. Was macht die Coronakrise mit uns Frauen? Sind alle Menschen in gleichem Maß von den Corona-Einschränkungen betroffen? Hat es für alle Menschen dieselben Konsequenzen, wenn wir unsere sozialen Aktivitäten einschränken und mehr Zeit zu Hause verbringen müssen? Aus feministischer Perspektive ganz klar: nein.
Vor einigen Tagen berichtete die FAZ aus einer repräsentativen Umfrage der TU München und des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung.
3,6 Prozent der Frauen in Deutschland wurden während der strengsten Kontaktbeschränkungen von ihrem Partner vergewaltigt.
3,1 Prozent der befragten Frauen gaben mindestens eine körperliche Auseinandersetzung an.
Waren die Befragten in Quarantäne oder hatten akute finanzielle Sorgen, dann lagen die Zahlen noch deutlich höher.
Die Zahlen belegen, was von Anbeginn der Krise befürchtet wurde. Für meine Kolleginnen, die frauenpolitischen Sprecherinnen und unsere Gleichstellungsministerin, war deshalb von Anfang an klar, dass wir Frauen und Frauenfacheinrichtungen während der Coronakrise unterstützt werden müssen. Das Land Schleswig-Holstein hat deshalb eine halbe Million Euro bereitgestellt, um 16 zusätzliche Frauenhausplätze zu schaffen, um die Beratungsangebote durch die Frauenberatungsstellen zu verstärken und um ihre technische Ausstattung zu verbessern.
Diese Maßnahmen halte ich für absolut notwendig und ich bin froh, dass wir uns als Koalition so schnell darauf einigen konnten. Eigentlich wünsche ich mir jedoch, dass sie gar nicht nötig wären und dass es Frauenhäuser überhaupt nicht geben müsste. Entsprechend sehe ich es als unsere eigentliche Aufgabe, Gewalt gegen Frauen im Kern zu bekämpfen. Dazu gehört, dass wir Gewalt gegen Frauen nicht als „Frauenthema“ diskutieren, sondern als das, was es tatsächlich ist: als gesamtgesellschaftliches Problem. Denn wir haben es überwiegend mit männlicher Gewalt zu tun.
Einen zweiten Aspekt, den ich ansprechen möchte: Viele Menschen arbeiten momentan von zuhause aus. Auch ich und die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen nehmen aktuell fast alle Termine per Video- oder Telefonkonferenz wahr. Von Gesprächen mit Verbänden und Interviews über Koalitionsrunden und Fraktionssitzungen – alles findet digital statt. Das verändert den Alltag natürlich. Und ich kann Ihnen sagen, ich vermisse es, mich täglich in persönlichen Gesprächen mit Menschen auszutauschen. Manchmal vermisse ich sogar eine hitzige, aber natürlich immer konstruktive, Diskussion mit den Koalitionspartnern.
Auch diesen Aspekt der Krise müssen wir mit einer feministischen Brille betrachten. Wer hat in den letzten Wochen neben der Arbeit im Home Office und Haushalt auch noch die Kinder zuhause beschult? Das waren überwiegend Frauen. Wer steht aktuell weltweit an vorderster Front im Kampf gegen Corona? Das sind überwiegend Frauen in Pflegeberufen. Deshalb haben wir auch den Pflegenbonus in Schleswig-Holstein beschlossen. Und wie steht es eigentlich um die ländlichen Räume? Lange nicht überall in Schleswig-Holstein sind die Internetverbindungen gut genug, dass man bzw. frau überhaupt die Möglichkeit hat, an einer beruflichen Videokonferenz teilzunehmen.
Es gilt in dieser Krise, die uns noch lange beschäftigen wird, wachsam zu bleiben. Jeden Aspekt aus einer frauenpolitischen Perspektive zu betrachten. Und vor allem, tatsächliche Maßnahmen zu ergreifen. Klassische Frauenberufe aufwerten, den Gender Pay Gap schließen, Gewalt gegen Frauen und Mädchen präventiv bekämpfen. All das sind Maßnahmen, die zum Teil schon seit Jahrhunderten von frauenpolitischen Akteurinnen, wie zum Beispiel auch den Landfrauen, gefordert werden. Diese Krise zeigt aber einmal mehr, dass wir noch lange nicht am Ziel sind – im Gegenteil.
Vielen Dank für die Gelegenheit heute vor Ihnen sprechen zu dürfen. Ich würde mich freuen, mich bei nächster Gelegenheit nach der Krise auch einmal physisch mit Ihnen über die spezifischen Belange von Frauen in den ländlichen Räumen Schleswig-Holsteins auszutauschen.